Umdenken an den Märkten
Marktkommentar Michael Blumenroth – 26.05.2023
Wöchentlicher Marktbericht

Waren die Märkte im Nachgang der letzten Fed-Sitzung Anfang Mai eine Weile davon ausgegangen, dass die US-Notenbank nun am Ende ihres Zinserhöhungspfades angekommen sei, änderten sie im Verlauf dieser Woche ihre Meinung. Je länger die Woche anhielt, desto stärker stiegen die an den Zinsterminmärkten eingepreisten Wahrscheinlichkeiten, bis dann gestern Abend schließlich wieder eine weitere Zinserhöhung entweder im Juni oder im Juli nahezu vollständig eingepreist war. Noch wichtiger dürfte sein, dass dabei auch die lange an den Geldmärkten eingepreisten Zinssenkungen für das zweite Halbjahr zu einem großen Teil wieder ausgepreist wurden. Beides hatte zur Folge, dass die Renditen der US-Staatsanleihen weiter anstiegen – die der zehnjährigen gar an neun der letzten zehn Tage.
Damit weitete sich auch die Differenz der US-Anleihen zu europäischen, insbesondere deutschen Staatsanleihen weiter aus. Dies kam wiederum auch dem US-Dollar zugute, der zum Euro auf ein acht-Wochen-Hoch bei 1,0707 US$ je € stieg, und auch gegen viele andere Währungen deutlich aufwertete.
Gold unter Konkurrenzdruck
Möglicherweise hätten Zeichen einer weiteren Eskalation im Streit um die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA die Goldpreise stützen können. Im Wochenverlauf verdichteten sich hier jedoch die Signale der Kompromissbereitschaft der beiden Parteien. Unerwartet hohe Inflationsdaten aus Großbritannien im Verlauf der Woche zeigten zwar, dass die Inflation im Vereinigten Königreich (und vermutlich auch anderen Ländern) noch nicht besiegt ist, was ebenfalls den Goldnotierungen hätte auf die Sprünge helfen können. Der darauf folgende Anstieg der Renditen zweijähriger britischer Staatsanleihen um 0,40 Prozentpunkte demonstrierte jedoch, dass anhaltend hoher Aufwärtsdruck auf Verbraucherpreise eher mit Renditeanstiegen an den Anleihemärkten beantwortet wird als mit steigenden Goldpreisen. Kurzfristig angelegte Gelder erzielen am US-Geldmarkt aktuell nun einmal mehr als fünf Prozent Zinsen – eine harte Konkurrenz für das zinslose Gold, weshalb dessen Preise im Wochenverlauf etwa ein Prozent abgaben.
Gold in US-Dollar und Euro
Notierte Gold am Freitagmorgen vergangener Woche morgens noch bei 1.962 US$ pro Unze, bewegte es sich dann bis Mittwochnachmittag meist zwischen 1.980 und 1.960. Als die Aktienmärkte am Mittwoch stark unter Druck gerieten, kletterte das gelbe Metall noch einmal auf 1.985 – es war anscheinend als „sicherer Hafen“ gesucht. Mit den steigenden Hoffnungen auf einen Kompromiss im US-Schuldenstreit und den weiter ansteigenden Kapitalmarktzinsen rutschte der Goldpreis gestern jedoch bis auf 1.940 abwärts und erholte sich seitdem aber wieder leicht. Heute Morgen um 8 Uhr notiert Gold bei 1.951 US$ je Unze.
Der Xetra-Gold-Preis hielt sich aufgrund des schwächeren Euros erneut besser. Während der üblichen Handelszeiten handelte Xetra-Gold vergangene Woche am Freitagmorgen noch bei 58,60 € pro Gramm, und stieg bis zum Mittwoch auf ein Wochenhoch bei 59,15. Auch hier ging es gestern aber abwärts, und zwar bis auf rund 58,20 am Nachmittag. Es dürfte heute Morgen bei rund 58,45 € pro Gramm in den Handel starten.
Ausblick: US-Schuldenstreit, Notenbanksitzungen
Bis zum Wochenende müssen die endgültigen Entscheidungen hinsichtlich des Themas „US-Schuldenobergrenze“ gefallen sein, und dann bis Anfang Juni möglichst in Gesetzesform gegossen. Die Märkte werden sich dann weiter auf die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen und die Erwartungen an die Sitzungen der US-Notenbank und der EZB Mitte Juni fokussieren. Am Montag bereitet uns der Kalender aber zunächst die seltene Freude eines gleichtägigen Feiertages – sowohl in Frankfurt als auch in London und New York.
Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein schönes, entspanntes Pfingstwochenende.