Gold inoffizielle Zweitwährung in der Türkei?
Aktuelles Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 22.10.2020
Bevor die Mehrwertsteuersenkung Anfang Juli die Inflationsrate in Deutschland zunächst neutralisierte und später in den Minusbereich drückte, rangierte im ersten Halbjahr 2020 die Teuerungsrate zwischen 0,6 und 1,7 Prozent. Dies bedeutete laut dem comdirect Realzins-Radar einen Wertverlust deutscher Spareinlagen von insgesamt nicht weniger als 12,9 Milliarden € in diesem Zeitraum, was sicher ärgerlich für den Einzelnen ist. Diese Entwicklung erscheint jedoch harmlos im Vergleich zu dem, womit türkische Sparer und Unternehmer gleichermaßen zu kämpfen haben.
„Zinsfeind“ Erdogan vs. CBT
Im September 2020 hat die türkische Zentralbank CBT den Leitzins von 8,25 auf 10,25 Prozent erhöht – sehr zum Missfallen des selbsternannten Zinsfeindes Präsident Erdogan, der durchaus zu Recht befürchtet, dass dies die Konjunktur weiter drosseln könnte. Die Türkei hat bereits seit einiger Zeit nicht nur mit einer Wirtschaftskrise zu kämpfen, sondern gleichzeitig mit dem rasanten Verfall der Lira. Bereits seit einem Jahr bewegt sich die Inflationsrate in der Türkei zwischen 9,25 Prozent im September 2019 und 11,75 Prozent im September 2020. Dies ist nicht nur für Unternehmen, die Kredite in Fremdwährungen bedienen müssen, eine enorme Belastung; auch Privatanleger fürchten um ihr Erspartes.
Gold gewinnt als alternative Währung an Bedeutung
In der Türkei ist Gold während der letzten Jahre verstärkt zum alltäglichen Zahlungsmittel geworden. Mehr noch: Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus legen Türken nicht nur immer mehr Erspartes in Gold und Fremdwährungen wie Euro oder US-Dollar an, viele verkaufen sogar ihre Immobilien und Autos, um die Erlöse in Gold zu investieren. Kein Wunder, denn während Gold in Euro bis Ende September 2020 um 18 Prozent zulegte, gewann das Edelmetall nach Angaben von Goldseiten.de in türkischen Lira im gleichen Zeitraum über 73 Prozent hinzu. Da Gold in der Türkei ein gängiges Zahlungsmittel ist, dient das Edelmetall nicht nur als probates Wertaufbewahrungsmittel, sondern gewinnt auch sonst zunehmend an Bedeutung.