Gold oder Anleihen? Das ist die (falsche) Frage
Aktuelles Arnulf Hinkel, Finanzjournalist – 02.06.2022

Lange Zeit galten Staatsanleihen und Anleihen großer Unternehmen als bevorzugtes Mittel der Diversifikation für eher risikoaverse Investoren wie Pensionsfonds oder konservative Privatanleger. Mit ETFs auf verschiedenste Aktienindizes erschienen Anfang des Jahrtausends in Europa allerdings neue Möglichkeiten der Portfoliodiversifikation, und speziell seit der Einführung von Null- bzw. Minuszinsen seitens vieler Notenbanken haben Anleihen an Attraktivität verloren. Sollte Gold deren Platz im Anlegerportfolio einnehmen?
Gold und Anleihen: seit 1973 mit ähnlicher Performance
Einer Studie der Liechtensteinischen Neuen Bank zufolge wurden aus einer Menge Gold im Wert von 100 US$ seit dem Ende von Bretton Woods bis Ende 2020 ganze 2.428 US$; US-Staatsanleihen mit dem gleichen Ausgangswert stiegen in diesem Zeitraum auf 2.441 US$. Allerdings lag die Verzinsung bei den fraglichen Staatsanleihen über den größten Teil des Untersuchungszeitraums klar im positiven Bereich – im Jahr 1981 sogar bei über 15 Prozent. In Bezug auf die reine Wertentwicklung haben sich die beiden Anlageklassen als Portfolio-Diversifikatoren ungefähr gleich gut geschlagen. Blickt man jedoch auf weltweite wirtschaftliche Stressphasen, ändert sich diese Bild.
In Krisenzeiten hat Gold die Nase meist vorne
Laut der Studie hat sich Gold beispielsweise während der Finanzkrise deutlich besser entwickelt als Staatsanleihen; angesichts der Gefahr des Zahlungsausfalls einiger Staaten verloren die entsprechenden Anleihen überdies stark an Attraktivität für Anleger, da bei dieser Anlageklasse Totalverluste der investierten Vermögen möglich sind. Nach einer aktuellen Studie der Zürcher Kantonalbank Österreich haben während der Corona-Pandemie Anlegerportfolios mit einer 10-prozentigen Goldbeimischung mit einem Plus von 2,4 Prozent besser performt als Portfolios mit einer 50/50-Mischung aus Aktien und Anleihen, die einen Verlust von -1,59 Prozent erwirtschafteten. Sind Anleihen also im Anlegerportfolio überflüssig geworden? Sicher nicht, denn sie werfen im Gegensatz zu Gold Zinsen ab – wenn auch die Verzinsung der meisten Anleihen aktuell bei weitem nicht ausreicht, um die Inflationsrate auszugleichen.